Ich greife mal stellvertretend für die Befürworter des Gesetzes, also mehrheitlich die Regierungskoalition,
Ingo Wellenreuther heraus und analysiere seine Argumente.
Auf Fragen und Aufforderungen im Internetportal
abgeordnetenwatch.de äußerte er sich folgendermaßen:
Es zeugt von einem grundlegend falschen Verständnis der Maßnahme, wenn in diesem Zusammenhang von "(Internet-)Zensur" gesprochen wird. Es geht darum, den Zugriff auf strafbare, kinderpornographische Inhalte im Internet zu blockieren. Dies hat mit Zensur rein gar nichts zu tun. Das Grundgesetz schützt keine schwere Kriminalität.
Die Bedenken, dass mit der geplanten Maßnahme auch der Zugang zu anderen, nicht kinderpornographischen Inhalten gesperrt werden würde, ist vollkommen unbegründet. Der Gesetzentwurf rechtfertigt allein zur Sperrung von kinderpornographischen Inhalten im Internet. Das BKA darf und wird bei der Sperrung nicht andere Inhalte in den Blick nehmen. Bedenken mit Blick auf die Seriosität des BKA teile ich in keiner Weise.
Ich habe also ein falsches Verständnis davon, wenn ich in Erwägung ziehe, dass die geloggte IP- Adresse eines Internetsurfers, der auf eine sog. Stopp- Schild Seite gelangt, zufällig, unbeabsichtigt oder vorsätzlich sei zunächst belanglos, dem BKA zur Verfügung gestellt wird und dort aus dem Bauch raus ohne jegliche richterliche Befügnis evt. eine Strafverfolgung eingeleitet wird ? Es ist ja nicht nachvollziehbar, ob derjenige welcher, nun absichtlich oder unabsichtlich auf die gesperrte Seite gelangt ist. Tatsache ist jedoch, dass die IP- Adresse und damit letztendlich eine Person in einer Liste aufgeführt wird, die zu Ermittlungszwecken im Bezug auf Kinderpornographie herangezogen wird. Das ist ähnlich wie bei der Schufa, wer dort einen Eintrag hat, oft ohne eigenes Wissen, ist für viele Geschäftspartner oder Kreditinstitute nicht kreditwürdig. Der Vergleich ist gerechtfertigt, da ja auch die Schufa grundsätzlich korrekt arbeiten will, jedoch systembedingt auch fehleranfällig ist. Gleiches ist bei der Einführung der geplanten Maßnahmen zu befürchten und auch zu erwarten.
Der 2. Aspekt, der gegen die Maßnahme spricht, ist die Möglichkeit, dass auch Inhalte indiziert werden könnten, die eigentlich nichts mit Kinderpornographie zu tun haben. Wie will der Gesetzgeber einen etwaigen Schaden dann anschließend wieder beheben ? Bei einem solch brisanten Thema ist das kaum möglich und der so unschuldig Indizierte ist geächtet, allein durch die Tatsache, dass er in den Sog der Ermittlungen geraten ist. Solche tragischen Fällen hat es in der Vergangenheit gegeben und es ist sehr wahrscheinlich, dass durch diese Maßnahmen sich die Zahl der fälschlich Beschuldigten definitiv nur erhöhen kann.
Besonders erschütternd ist der Umstand, dass eine fälschliche Sperrung willkürlich durch das BKA toleriert wird und der Geschädigte hinterher seinen Grundrechten nachlaufen muss. Ich unterstelle keineswegs, dass das BKA in dieser Sache schlampig arbeiten würde, jedoch sind einzelne Irrtümer nicht ausgeschlossen und die Folgen für die Betroffenen erheblich.
Selbstverständlich ist es die wirksamere und deshalb vorzugswürdige Maßnahme, kinderpornographische Seiten ganz abzuschalten. Dies wird auch derzeit schon vielfach praktiziert, so insbesondere bei Seiten, die auf deutschen Server liegen, nicht aber zwingend bei Seiten auf Servern im Ausland, auch wenn es bereits gut funktionierende Netzwerke der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit gibt. Das Problem ist in diesem Zusammenhang, dass weltweit in der Hälfte aller Staaten Besitz und Verbreitung entweder nicht unter Strafe steht oder nicht ausreichend sanktioniert wird. Hier besteht meines Erachtens in der internationalen Zusammenarbeit weiterer Handlungsbedarf, worauf ich in meiner Rede ebenfalls hingewiesen habe. In diesen Fällen kann derzeit nur das Mittel der Zugangssperre auf entsprechende Webseiten greifen, wie es jetzt in Deutschland angegangen wird.
Wenn man doch weiß, dass "Abschalten" wirkunsvoller ist, warum soll dann noch eine unwirksame Methode angewendet werden ? Würde man es wirklich richtig praktizieren, wäre eine Diskussion um solche Internetsperren überflüssig. Das Argument, dass man Server im Ausland, welches Kinderpornographie toleriert, nicht stilllegen kann, ist in zweierlei Hinsicht ein Scheinargument. Die meisten Server, die davon betroffen sind, sind nach Studien zufolge in einem Staat anzutreffen, der Kinderpornographie per Gesetz verbietet. Es ist demnach recht plausibel, die Zusammenarbeit auf diesem Sektor von behördlicher Seite staatenübergreifend effizienter zu gestalten und die Abschaltungen zeitnah realisieren zu können. Da die DNS- Sperren ohnehin recht einfach umgangen werden können, relativiert sich ihr Nutzen auf die verbleibenden kinderpornographischen Inhalte auf Servern im sog. rechtsfreien Raum deutlich. Je geringer die Effektivität der Zugangssperren ist, desto wahrscheinlicher wird es, dass falsch gesperrte Inhalte prozentual einen höheren Anteil bilden.
Bisweilen wird bezweifelt, dass der Handel mit Kinderpornographie ein Markt mit mächtigen Geldinteressen sei. Ich habe demgegenüber in meiner Rede
anhand von Zahlen,
die auf Schätzungen beruhen, das Ausmaß von Kinderpornographie
deutlich gemacht (nur am Rande möchte ich anmerken, dass ich in der ursprünglichen Mitteilung auf
http://www.heise.de über die Bundestagsdebatte falsch zitiert wurde: ich habe ausweislich des amtlichen Bundestagsprotokolls nicht von 11 Milliarden Fotos gesprochen, die weltweit online im Umlauf sind, sondern von 11 Millionen. Dies wurde offensichtlich inzwischen korrigiert). Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahme von BITKOM, dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V., für das öffentliche Expertengespräch des Unterausschusses Neue Medien im Deutschen Bundestag am 12. Februar 2009 verweisen: "BITKOM bewertet die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet als eines der größten Probleme der Webkriminalität. ... Die Verbreitung von Kinderpornographie hat sich gerade im Internet über den Aspekt kriminell ausgelebter Pädophilie zu einem kommerziellen Markt entwickelt. Dieser trägt Züge organisierter Kriminalität." Ich halte es für bemerkenswert, dass dieser Verband der Internetwirtschaft so eindeutig den Kritikern aus der sog. Community widerspricht.
Man kann anhand von irgendwelchen Schätzungen nichts deutlich machen, Herr Wellenreuther. Sowas ist reiner Populismus, der hier offenkundig wird. Ob nun ein lapiderer Interpretationsfehler bei der Anzahl der im Internet angeblich kursierenden Fotos diese Schätzungen richtiger werden lassen, überlasse ich dem gesunden Menschenverstand des interessierten Lesers. Der kommerzielle Markt, der von Herrn Wellenreuther hier stigmatisiert wird, gibt es eigentlich gar nicht. Das bestätigt nicht zuletzt das BKA selbst. Die Täter agieren im Verborgenen, z.B. in der Familie und nutzen das Internet größtenteils zum Informationsaustausch und nicht als Präsentationsplattform. Das Bildmaterial wird über Peer-to- Peer Mechanismen, Email oder dem konservativen Postweg ausgetauscht.
Ich halte es für bemerkenswert, dass Herr Wellenreuther Schätzungen und gefälschten Statistiken mehr beipflichtet als Fakten von Experten...
Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen ist es mir in keiner Weise verständlich, dass sich überhaupt jemand bei so schrecklichen Tatbeständen der Kinderpornographie gegen die geplante Zugangssperren wendet, zumal - um es nochmals zu betonen - es sich hierbei nur um eine neue, flankierende Maßnahme handelt, die zu dem bisherigen, sicherlich in Teilen ebenfalls noch zu intensivierenden Vorgehen gegen Kinderpornographie hinzu tritt. Wenn sich daher jemand vehement gegen diese Maßnahme ausspricht, kann ich nur den Schluss daraus ziehen, dass er nicht weiß, worum es bei diesem Thema geht, oder dass er die uneingeschränkte Freiheit des Internets höher bewertet, als den Schutz der Menschenwürde der geschundenen Kinder, und daher meines Erachtens die Wertmaßstäbe verloren hat.
Hiermit wird der Herr Politiker beleidigend gegenüber den Petitionsunterzeichnern, die keineswegs Kinderpornographie gut heißen. Als Mitunterzeichner weiße ich diesen Vorwurf entschieden zurück. Herr Wellenreuther ist für mich kein würdiger Volksvertreter (mehr) und hat offensichtlich vom Internet und der dahintersteckenden Technik keinerlei Ahnung. Wenn er auch inzwischen seine Statements aus der Debatte aufgrund der heftigen Proteste geschickt zu relativieren versucht, hat er doch zunächst die sinnlose Sichtschutzmaße mit allen daraus entstehenden Konsequenzen als erstrebenswert verteidigt. Ausgerechnet diejenigen, die auf die minderwertige Qualität dieser Maßnahmen hinweisen, effektivere verlangen und sogar entsprechende Lösungen präsentieren, bezeichnet der Herr Bundestagsabgeordnete als Leute, die Wertmaßstäbe verloren hätten und den Schutz der Menschenwürde geringer betrachten als uneingeschränktes Surfvergnügen. Traurig Herr Wellenreuther, kann ich da nur sagen.
Die Behauptung, dass die Maßnahme der Zugangssperre nicht effektiv sei, vermag nicht zu überzeugen. Experten und internationale Erfahrungen sagen, dass rund 80% der Nutzer von Kinderpornographie über Spammails und Teasing-Produkte angelockt und in die Szene hineingelockt werden. Gerade bei diesem Einstieg stellt die Zugangssperre eine wirksame Hürde und damit eine präventive Maßnahme dar. Schwerpädokriminelle und technisch versierte Nutzer werden hingegen die Sperren umgehen können - es behauptet auch niemand, dass die Zugangssperren ein Allheilmittel wären.
Die geringe Effektivität ist bereits mehrfach bewiesen worden und vermag offensichtlich nur die Regierungspolitiker nicht zu überzeugen, die sich ja an Schätzungen orientieren. Ich bin zwar kein Experte für die menschliche Psyche, doch kann ich mir nicht vorstellen, dass man in die Kinderpornographieszene hineingezogen oder gelockt werden kann. Ist dafür nicht eine gewisse Veranlagung Voraussetzung ? Würde ich auf solche Inhalte im Netz stoßen, würde ich sie sicherlich den Strafverfolgungsbehörden melden, zumindest bis das Gesetz in Kraft tritt, denn hinterher geräte ich dadurch selbst ins Visier der Strafverfolgung...
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen meinen Standpunkt erläutert zu haben und etwaige Bedenken hinsichtlich der geplanten Maßnahme zerstreut zu haben.
Nein, Herr Wellenreuther...